20120912

Massentaugliches Unterhaltungs-Gehüpfe im "White Bouncy Castle"

Eurphorisches Hüpfen mit Beigeschmack in Hellerau
Ein weißes Schloss; innen eine Bahn von fast vierzig Metern - das Kunstzentrum Hellerau hat seine Besucher eingeladen, Teil der Installation "White Bouncy Castle" zu sein. Hoch umschließt die Burg ihr Hüpfgelände, das Weiß strahlt eine surreale Kälte aus, der grollende Hintergrundsound erinnert eher an Horrorszenen als an spaßige Kindermusik. Die Besucher stürzen sich freudig ins hüpfende Getümmel. Erwachsene freuen sich, zusammen mit ihren Kindern den Hüpfspaß zu erleben. Sie tanzen, sie jauchzen, springen gegen Wände und laufen hüpfend die Bahn auf und ab.

Doch - in an der Wand sitzt ein dreijähriges Kind, dem die Atmosphäre Angst macht: das kalte Weiß, die drohende Soundkulisse, die hüpfverrückten Leute - all das verleiht der Burg eher den Charme einer zu groß geratenen Gummizelle.  Vergnügen und Wahnsinn gehen Hand in Hand. 

Vielleicht war das Kind der einzig aufmerksame Kunstrezipient an diesem Ort.

  
"White Bouncy Castle" ist ein Gemeinschaftsprojekt von Dana Caspersen, William Forsythe und Joel Ryan

20120908

Moderne Kirchen-Kultur während der Documenta in Kassel


Intensiver Blick, definierter Torso: Ein Werk von atemberaubender Schönheit. Ein Adonis, der dem Gelde entwachsen scheint und sich wieder in diesem auflöst.
Eins Vorweg: Der Autor ist bekennender Atheist und hat auch vor, ein solcher zu bleiben. Und nein, ich bin nicht schwul, - was übrigens völlig wertfrei gemeint ist. Dies ist also kein religiöser Erweckungsruf; nein, es ist viel mehr: Es ist die Freude darüber, dass die moderne Kirchengemeinden Sankt Elisabeth in der Lage ist, tatsächlich Mut zur Kontroverse zu zeigen. Ein populäres Medienecho erfuhr die Gemeinde im Rahmen der Documenta 13 in Kassel. Das Bild der Holzfigur mit ausgebreiteten Armen, wie auf der Spitze des Kirchturmes steht, ging um die Welt. Es ist ein Werk des Künstlers Stephan Blankenhol, der just zeitgleich zur Documenta 13 in Kassel seine Ausstellung in der Kirche Sankt Elisabeth ausstellt. Ein kleiner Skandal, gehört doch der Künstler nicht zum offiziellen Kunstkanon der Documenta. Besucher stoßen also nur zufällig auf diese kleine kostenlose Ausstellung im Zentrum Kassels; diese jedoch gehört zweifellos zu den Höhepunkten des Documenta-Besuchs; auch wenn eben Stephan Blankenhol mit keiner Silbe in den Documenta-Unterlagen erwähnt wird.

Die Ausstellung zeigt mehrere Holzplastiken, die funktional im Gotteshaus eingerichtet wurden. Wie sonst üblich in der katholischen Kirche: Nackte müssen draußen bleiben, auch wenn es sich dabei nur um eine Holzfigur handelt. Dies tut dem Arrangement keinem Abbruch. Bedeutungsschwer blicken die Figuren; spannende Kompositionen; Neues auf traditionellen Plätzen; ein passives Kreuz, was aus 4 aktiv raumverdrängenden Platten geformt wird, aus denen Augen-Blicke uns treffen; Maria als fesche Brünette im figurbetonten Kleid; und viele mehr! All diese Dinge erwartet man überall, nur nicht in einer katholischen Kirche! Die Gemeinde beweist Mut und Kunstsinn; sodass selbst ich, der überzeugte Atheist, voller Begeisterung annerkennend und demütig meinen Hut ziehe.


Stephan Blankenhols überlebensgroßes (5,70m !)  Meisterwerk von 2009 "Sempre più..." aus Zedernholz. Passt irgendwie zu einer katholischen Kirche, wie es Sankt Elisabeth doch ist, da diese Plastik beinahe homophobe Gefühle weckt.


All-ansichtig bleibt diese Komposition zweier Platiken hochspannend, da im Besucher beim Umgehen des Werk zahlreiche bedeutendschwere Assoziationen geweckt werden. Der Titel dieses Werks von Stephan Blankenhol wirkt dagegen fast zu schlicht: "Großer Kopf und männliche Figur", ja, was sonst, würde doch jeder andere Titel die Assoziationskraft des Besuchers vernichten. Würde das Werk z.B. "Freunschaft" heißen oder "Ich", - wie viel würde es an Kraft verlieren? 

Schuss und Gegenschuss, wer blickt auf wen? Ich auf mich? Gegenwart auf Vergangenheit?

Kapellfigur der Sankt Elisabeth von Stephan Blankenhol


Menschliche Relief-Figuren ganz in der kirchlichen Tradition: die Heiligen im Stile des Gegenwartsmenschen. Warum nicht? Wurde nicht schon zuvor Maria in einer antiken Tunika, in einem gothischen Gewand und in barocker Pracht-Montur dargestellt?

Bilder-Komposition über dem Altarbild der Kirche Sankt Elisabeth. Ansicht von der höchsten Stufe der Galerie.



20120906

Ackerkultur mal anders: Gemüse vom Pfeiler

Gärtnern mal anders: Die Künstlerin Claire Pentecost zeigt, wie man Gemüße an Pfeilern anbaut, das spart Platz und schafft grüne Blickpunkte in dicht besiedelten Gegenden der Erde.

Erde als wertvollstes Gut - diesem Thema hat sich die Künstlerin Claire Pentecost genähert. Im Ottoneum, dieses Jahr Austellungsort während der Documenta, gestaltet sie die Eingangshalle und den Vorhof mit ihrer Interpretation von Landwirtschaftspolitik und Macht.




 Ihre Installation ist ambitioniert: Sie schlägt ein neues Wertesystem vor und eine neue gesellschaftliche Orientierung auf Grundlage des lebendigen Ackerbodens, quasi als Währing für jedermann.








Außerhalb des Ottoneums setzt sich die Installation fort: Dort hat Sie Pfeiler aufstellen lassen, diese mit Erde befüllt und demonstiert so intensiven Gemüseanbau, wie er in dicht besiedelten mit Landmangel gelebt weden könnte: aus den Pfeilern wächst Kohl, Salatköpfe, Kohlrabi, Bohnen, Gewürze etc.

Sie beweist: Alternativen sind möglich, wenn sie denn nur gewollt sind.

Kunst mit Effekt auf der Ostrale 2012

Foto: Elefanten-Frühchen im Brutkasten



Die internationale Ausstellung zeitgenössischer Künste in Dresden hat anscheinend ein finanzielles Problem: Auffallend ist, wie drastisch die Ausstellung im Vergleich zu den Vorjahren verkleinert wurde. Für langjährige Ostrale-Besucher war es ein Schock! Nun könnte man meinen, dass man statt auf Masse nun auf Klasse gesetzt hätte. Jedoch ist keine tatsächliche qualitative Steigerung spürbar. Schade. Zahlreiche Werke bleiben schlicht rätselhaft und auch der Humor bleibt auf der Strecke. Ein nicht geringer Teil der Kunst suhlt sich hier im Selbstzweck. Statements zum Zeitgeschehen, was Kunst doch eigentlich leisten könnte, blitzen nur vereinzelt durch. So bleibt oft genug nur Effekthascherei übrig. Diese allerdings, ist dann gelungen.

Die Ausstellung geht noch bis zum 16.09.2012.
Das Tagesticket kosten 14 Euro / ermäßigt 9 Euro. 

Foto: Bank aus Neonröhren von Steffen Huhn

 Foto: Kerngehäuse von Matthias Stuchtey

 Foto: Figur von Mitsy Groenendijk
 Foto: Buchskulptur von Francois du Plessis
 Foto: Werk von Romain van Wissen


Foto: Installation von Beate Bilkenroth

 Foto: Atompops von Thomas Schönauer